Mesusaspur an einem Türrahmen im Vorsteherhaus.
Spuren erzählen Geschichte
Im Wohnhaus und in der ehemaligen Synagoge wurden bei der Sanierung viele, oft unscheinbare Spuren gefunden, die gesichert oder wieder sichtbar gemacht wurden. Sie sind eigenständige Exponate, die Geschichten erzählen – über die Menschen, die hier lebten, ihre Religion, ihre Art zu wohnen und sich einzurichten, ihre Arbeit oder über die Baugeschichte des Hauses.
Tapetenspuren.
Schon im ersten Raum, der als Medien- und Kommunikationsraum eingerichtet ist, findet man am Türrahmen Spuren einer Mesusa (hebr. Türpfosten), die von der jüdischen Familie angebracht wurde.
Über der Tür erinnert der Abdruck eines Kreuzes an die christliche Familie, die anschließend hier lebte.
Die Tapeten- und Farbschichten geben Auskunft über die Wandgestaltung von den 1920er Jahren bis heute.
Informationen zu Sibilla Ullmann.
Die Familie Susmann / Ullmann
Von 1789 bis 1934 war das Rödinger Haus der Lebensmittelpunkt der Familie Ullmann. Die Geschichte der Rödinger Ullmanns und ihrer Nachkommen kann über 200 Jahre rekonstruiert werden. Sie ist in vielerlei Hinsicht typisch für die Geschichte der Juden im Rheinland im 19. und 20. Jahrhundert.
Fünf Lebensgeschichten aus fünf Generationen erzählen von Migration und Ansässigkeit und von den Berufen, die Juden und Jüdinnen offen standen. Sie berichten von dem langen Weg zur rechtlichen Gleichstellung ebenso wie vom Engagement für die kleine, aber traditionsverbundene jüdische Gemeinschaft auf dem Land.
Während es die junge Generation seit Ende des 19. Jahrhunderts in die Städte zog, blieben die Alten in ihrer vertrauten dörflichen Umgebung. Hier wie dort entkam die Familie Ullmann nicht der Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung in der NS-Zeit.
Ein Exponat aus der Ausstellung: Mit dem „Koscher-Stempel" des Rabbiners Wolf wurden im Rheinland erlaubte Lebensmittel gekennzeichnet.
Die koschere Küche früher und heute
Die Küche war der zentrale Ort im Haus der Familie Ullmann. Von hier aus ließen sich alle Räume erreichen. Hier wurde gekocht und gegessen.
In der Ausstellung werden in der früheren Küche der Ullmanns die jüdischen Speisevorschriften (Kaschrut) vorgestellt.
Die Regeln der koscheren Küche sind überall auf der Welt (fast) dieselben. Sie werden auf göttliche Gebote in der Bibel und im Talmud zurückgeführt. So ist genau festgelegt, welche Lebensmittel koscher (rein, tauglich, geeignet) sind und in welchen Zusammenstellungen sie gegessen werden dürfen, wie die Speisen zubereitet werden und was bei der Einrichtung der Küche zu beachten ist.
Blick in den Ausstellungsraum zur Haus- und Baugeschichte.
Synagoge – Werkstatt – Kulturhaus
In diesem Raum wird die Geschichte der Rödinger Synagoge erzählt. Dokumente, Bilder, Gegenstände aus der letzten Nutzungsphase sowie drei Kurzfilme veranschaulichen diese Geschichte, die beispielhaft für die Entwicklung in zahlreichen jüdischen Gemeinden des Rheinlands bis zur NS-Zeit ist. Auch der Umgang mit rheinischen Landsynagogen nach dem Holocaust wird thematisiert.
Glasscheibe mit Inschrift von Sibilla Ullmann
Jüdische Orte im christlichen Dorf
Neben Synagogen und Betstuben gab es in vielen rheinischen Dörfern weitere „jüdische Orte": einen jüdischen Friedhof, eine Judengasse und eine jüdische Schule. In Rödingen sind einige dieser Orte heute noch zu sehen, andere nur in Texten und Bildern überliefert. Diese Orte und ihre Geschichte werden vorgestellt. Hörstücke mit Kommentaren von christlichen Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohnern ergänzen das Bild.
In diesem Raum hat sich auch ein ganz besonderes Exponat erhalten. Als die 74jährige Sibilla Ullmann ihr Elternhaus 1934 für immer verlassen musste, ritzte sie ihren Namen in das Fenster.
Obwohl die fragile Glasscheibe schon an den Ecken ausgebrochen war, hat sich dieses Zeugnis der letzten jüdischen Bewohnerin mehr als sieben Jahrzehnte erhalten.
Der Tora-Wimpel.
Religion in der Synagoge und zu Hause
Ein aufwendig bestickter Tora-Wimpel aus dem 18. Jahrhundert ist der optische Anziehungspunkt in diesem Raum, der Aspekte der jüdischen Religion präsentiert.
Jüdische Religion wird in der Öffentlichkeit der Gemeinde und in der Privatheit der Familie gelebt und praktiziert. Manche Rituale wie die Befolgung der Speisegesetze oder das Anbringen der Mesusa (hebr. Türpfosten) haben ihren Ort im Haus. Für andere wie die Lesung des wöchentlichen Tora-Abschnitts am Schabbat ist die Anwesenheit einer Gemeinde in der Synagoge erforderlich.
Ein Tora-Fragment, ein Hörstück, Gebetbücher für Alltag und Festtage sowie eine Synagogen-Ordnung von 1836 illustrieren zentrale Aspekte der jüdischen Religion.